Mit «Cookinesi» unterwegs
Zoe Torinesi schreibt in ihrem Foodblog Cookinesi über die Liebe zum Kochen. Darin versorgt sie ihre Fans mit Tipps und Tricks rund ums Kochen und Geniessen. Bei ihrem Ausflug ins Heidiland erlebte sie das Essen und Trinken im Grand Resort Bad Ragaz in ganz neuen Facetten: Getränkebegleitung mal anders, ein Wasser Testing oder ein Besuch im Restaurant Memories. Im folgenden Bericht beschreibt sie ihre kulinarischen Erlebnisse ebenso akribisch wie die Gerichte zubereitet wurden.
Eine neue Ära im Grand Resort Bad Ragaz
Vor über 150 Jahren wurde der Quellenhof eröffnet – ein altehrwürdiger Bau, pompös und voller Geschichte, verkörpert er auch heute noch das, was man sich unter einem «Grand Hotel» vorstellt. Der Boden der Lobby besteht aus weissem Carrara-Marmor, die Theken sind aus indischem Marmor gefertigt und was mich am meisten beeindruckt: Zwei grosse rote Bilder, die aus unzähligen echten Rosen bestehen und die dank eines cleveren Trocknungsverfahren nicht ausgetauscht werden müssen.
Nicht bewusst war mir vor meinem Besuch, dass seit einem Jahr ordentlich frischer Wind durchs Haus weht, oder – wie der General Manager des Grand Resort Bad Ragaz Marco Zanolari sagt – «die alte Dame wachgeküsst» wurde. Dafür sorgte nicht nur der fünfmonatige Komplettumbau 2019. Mit Caminadas IGNIV (unter der Führung von Joël Ellenberger), Sven Wassmers (von Karl Wild als "Koch des Jahres" gekürt) Gourmet-Restaurant Memories und dem Health & Lifestyle Restaurant verve by sven hat auch im Foodbereich eine neue Ära begonnen.
Verblüffende Kombinationen
Ich treffe Sven Wassmers Frau Amanda am Nachmittag auf der Terrasse des verve by sven mit Blick auf den wunderschönen Garten des Quellenhofs und trinke einen prickelnden Rhabarber Spritz, der natürlich fruchtig schmeckt, aber auch nach…hmm…Nuss vielleicht?
Amanda Wassmer, übrigens mitten in der Ausbildung zum «Master of Wine» (zu diesem Titel haben es in der Schweiz gerade einmal eine Handvoll Menschen geschafft), trinkt einen Grüntee. Ich bin vor zwei Jahren bereits einmal in den Genuss von Svens Kreationen in Kombination mit Amandas Weinauswahl gekommen und war total verblüfft, denn Essen und Wein harmonierten entweder perfekt oder aber – sie ergaben in Kombination etwas ganz Neues. Ich mag die meisten Pinot Noirs zum Beispiel überhaupt nicht, auch den nicht, den Amanda damals einschenkte. Sobald ich jedoch einen Bissen vom Essen genommen und einen Schluck Wein dazu getrunken hatte, veränderte sich auch mein Empfinden dem Wein gegenüber – ich mochte ihn plötzlich! Einen Pinot! Unfassbar. Eine Erinnerung, die sich tief in mein Geschmacks-Gedächtnis eingebrannt hat.
Getränkebegleitung ohne Alkohol – neu, spannend & extrem aufwändig
Memories heisst denn auch der wassmerische Gourmet-Tempel im Quellenhof, der bereits nach kurzer Zeit mit zwei Michelin-Sternen und 18 Gault-Millau Punkten aufwarten konnte. Amanda erzählt mir, dass dort bewusst auf die Bezeichnung «Weinbegleitung» verzichtet wird, weil die «Begleitung» eben nicht ausschliesslich aus Weinen besteht, sondern zwischendurch auch mal ein selbstgemachter Kombucha oder Tee serviert wird. Wer Alkohol nicht mag, schwanger ist, nach dem Essen noch fahren muss oder schlicht Lust darauf hat, kann auch eine komplett alkoholfreie Getränkebegleitung ordern. Darüber will ich mehr erfahren.
«In London werden im Gegensatz zur Schweiz schon lange hochwertige alkoholfreie Getränke zur Begleitung von Gourmet-Dinners angeboten», erzählt Amanda. «Mich hat aber oft gestört, dass so viele Säfte dabei waren. Einerseits sind diese meist sehr intensiv im Geschmack, andererseits sättigen sie stärker als andere Getränke, da hat man schnell einmal genug.»
Fat Washing und Fermentation im Memories
Auch bei Wassmers gibt es Säfte, dazwischen aber auch «Fat Washed»-Kreationen, Tee, Eistee oder Kombucha – fast alles selbst rezeptiert und hergestellt, versteht sich. Für Normalsterbliche, die wenige bis keine Kenntnisse von Verfahren wie Fat Washing, Fermentation, Züchten von Pilzkulturen und dergleichen haben, ist kaum nachzuvollziehen, wie die Herstellung der Getränke im Detail vonstatten geht. Eines jedoch ist klar: die Prozesse sind meist komplex und nehmen viel mehr Zeit in Anspruch als das Zusammenstellen der eigentlichen Weinbegleitung.
Das Produkt im Zentrum
Die «leaf to root» und «nose to tail» Maxime, also möglichst alles von den einzelnen Lebensmitteln zu verwerten und ausschliesslich mit hochwertigen, hauptsächlich regionalen Produkten zu arbeiten, zieht sich vom Amuse-Bouche bis zum Kohlrabi-Erdbeerblatt Getränk durch, welches zum Kohlrabi-Gang serviert wird. Die Blätter der Pflanze waren denn auch bereits in einem der Amuses zum Einsatz gekommen.
Kompositionen zum Verlieben
Die Herangehensweise bei der Suche nach der perfekten Begleitung sei unterschiedlich. «Manchmal kommt jemand aus dem Team und hat eine Idee, wie man die Elemente eines bestimmten Gerichts auch in das begleitende Getränk integrieren kann», danach beginne für Amanda und ihre Crew die Suche nach dem optimalen Verfahren, das den Geschmack des Produkts am besten zur Geltung bringt und nach der perfekten Zusammensetzung der einzelnen Komponenten.
Manchmal gehe sie aber auch wissenschaftlich an die Sache heran. «Dass man sich die Moleküle eines Lebensmittels anschaut und einen Wein auswählt, der dieselben Moleküle aufweist, ist nichts Neues. Ich wende dasselbe Verfahren oftmals auch bei der non-alkoholischen Begleitung an», erzählt Wassmer-Bulgin und muss auch schon wieder zurück ins Restaurant. Eine letzte Frage habe ich aber noch. Steckt in meinem Rhabarber Spritz tatsächlich Nuss? Nein, es ist Rogge. Wie man darauf bloss kommt?... Schmecken tut’s aber echt gut und vor allem: spannend!
Kein Dresscode, kein Geflüster, faire Preise
Viereinhalb Stunden dinieren wir später im Memories, direkt an der Theke, mit freiem Blick auf die Küche. Jeder Handgriff sitzt, die Köche arbeiten ruhig und konzentriert, allesamt mit schicker weisser Maske. Die Gäste sitzen in im Raum verteilten Kokons schräg nebeneinander, diskutieren, geniessen, lachen. Die Atmosphäre ist locker, was wohl auch an den jungen Chefs und ihrer noch jüngeren Crew liegt. Die Preise sind für ein Restaurant auf diesem Niveau mehr als okay. Der 9-Gänger inklusive der drei Amuse-Bouches kostet 260.–, die non-alkoholische Begleitung schlägt mit 90.–, diejenige mit Alkohol mit 125.– zu Buche. Wenn man bedenkt, wie viel Arbeit in jedem einzelnen Element steckt, ist das fair. 12 Gänge beinhaltet übrigens das gesamte Programm, mehr als neun würde ich als sehr gute Esserin jedoch nicht empfehlen. Die Pralinés zum Schluss habe ich jedenfalls nicht mehr geschafft.
Mein Lieblingsgang? Knollensellerie in einer Ribelmais Poulet Sauce mit Bündner Arve. Meine Begleitung findet es schmecke nach Wald – und tatsächlich, ich schliesse die Augen und spaziere geistig durch den feuchten Wald. Wir schmecken Erde und trockene Tannennadeln. Das ist Erlebnisgastronomie!
Welches Wasser darf es denn sein?
Vor meiner Rückreise am darauffolgenden Tag habe ich noch einen Termin bei Anke Scherrer, der Wasser Sommelière. Wer Essen und Trinken liebt und nach Bad Ragaz reist, sollte sich dieses Erlebnis auf keinen Fall entgehen lassen! Wir degustieren verschiedene Wasser und die geschmacklichen Unterschiede sind zum Teil frappant. Noch erstaunlicher ist, was für einen Einfluss die Wasser auf denselben Wein haben. Die einen unterstützen ihn, indem sie seine fruchtige Note hervorheben, andere neutralisieren ihn praktisch komplett. Das letzte Wasser macht ihn sogar richtig bitter. Würde ich nie im Leben bestellen. Ich bin so fasziniert, dass ich fast meinen Zug zurück nach Hause verpasse. Das IGNIV habe ich leider nicht mehr geschafft. Ein guter Grund bald wiederzukommen.
Blogbeitrag «Spitzengastronomie geht auch ohne Alkohl»
Neugierig geworden auf das Angebot im Grand Resort Bad Ragaz? Weitere Highlights von Zoe Torinesis Besuch im Grand Resort Bad Ragaz findest du in ihrem Blog.