Herr über die Wanderwege
Kommt dir das bekannt vor? Du schaust seitlich am Wanderweg herunter und denkst dir «Hier ist es aber ganz schön abfallend». Du bist froh über den Zaun am Wegrand und lässt deine Aufmerksamkeit wieder dem Bergpanorama zukommen. Dass ein Wanderweg gesichert, beschildert und geräumt ist, ist für die meisten von uns selbstverständlich. Dass dafür Menschen wie Reto Loop teilweise schon um vier Uhr früh auf dem Gipfel sind, um den Berg für die Gäste vorzubereiten, wissen jedoch die wenigsten.
Schreiner, Botaniker und Seelsorger
Der 44-Jährige ist Werkmeister beim Flumserberg. Sein Arbeitsplatz ist der gesamte Berg mit seinem 150 Kilometer langem Wanderwegnetz und den 150 Holzbänken. Doch was bedeutet es überhaupt, Werkmeister zu sein? Geht es dabei einzig um die Instandhaltung der Wege? Nein. Obwohl ein Werkmeister handwerklich begabt sein muss, verlangt dieser Job noch viel mehr von ihm. Er ist Schreiner, Pistenfahrzeugfahrer, Botaniker des Alpenflorawegs, Geschichtenerzähler des Sagenerlebniswegs, Geologe der GeoGalerie, Wanderguide und nicht zuletzt Seelsorger.
Für und mit dem Berg leben
Der Arbeitstag von Reto Loop beginnt, bevor die ersten Gäste kommen. Besonders in der Wintersaison braucht er ein dickes Fell. Beim Anbrechen des Tageslichts präpariert er bereits um vier Uhr früh die Winterwanderwege. Weiter geht sein Arbeitstag erst am Abend wieder – häufig bis spät in die Nacht. So wie er im Winter der Kälte und dem Schnee ausgesetzt ist, ist er es im Sommer der Sonne und den heissen Temperaturen. Um diesen Job zu machen, muss man ein echter Naturmensch sein. Einerseits, um mit ihren Launen umgehen zu können. Und andererseits, um sie mit Respekt zu behandeln und ihre Schönheit zu wahren. Loop muss wissen, wo ein Pflock gesetzt werden darf und wo nicht. Wo die Erde besonders empfindlich ist und wo sie eine Signalisation verträgt. Er sorgt für den Schutz der Wildblumen oder befreit die Umgebung von Abfall. Er schreinert, repariert und nimmt auch mal die Motorsäge zur Hand, wenn es die Situation verlangt.
Ein offenes Ohr für Wanderer
Auf den ersten Blick mag das Werkmeisterdasein einsam erscheinen. In Wirklichkeit aber ist der Austausch mit Gästen sehr intensiv. Jemand fragt nach dem Weg, jemand anders will wissen, was er da tut oder man will sich einfach für Loops Arbeit bedanken. Nicht selten schütten ihm die Gäste ihr Herz aus oder bitten ihn um Rat. In besonderen Fällen ist er gar Retter in der Not, obwohl das nicht seine Aufgabe wäre: Etwa als sich ein Wanderer überschätzte und den Abstieg aus eigener Kraft nicht mehr bewältigen konnte.
Den Gipfel mit anderen Augen sehen
Wenn du das nächste Mal auf der 7-Gipfel-Tour bist, lohnt es sich, nicht nur die Churfirsten genauer anzuschauen. Jetzt weisst du, wer die Tafeln angebracht und das Holzlager bei der Grillstelle aufgefüllt hat. Der Gross Güslen ist der letzte Gipfel der Tour. Er ist als einzigartiger Aussichtpunkt auf Walensee, Zürichsee und Sebensee bekannt. Aber er ist auch der Arbeitsplatz eines Tausendsassas auf 1'833 Metern Höhe.