Im Auftrag der Kastanie
Du kennst das bestimmt: Du betrittst ein Haus und dich überkommt ein Gefühl, das sich nur schwer beschreiben lässt. Du fühlst dich wohl, etwas Vertrautes schwebt in der Luft. Ist das vielleicht die Seele des Hauses? Dieses Geheimnis lässt sich wohl nie ganz lüften. Genau ein solches Geheimnis trägt Sepp Kühnes Haus in sich. Decken, Böden, Möbel, Dekoration – Holz, wo man nur hinschaut. Wie viele verschiedene Holzarten in seinem Haus vereint sind, weiss der Förster von Murg selbst nicht. Dafür weiss er genau, dass er die Verbreitung eines Baumes speziell fördern will: der Kastanie.
Genug Nachwuchs bei Pro Kastanie Murg
Sepp Kühne ist seit 2002 Präsident des Vereins Pro Kastanie Murg. Vor seiner Tour durch den Kastanienwald nimmt er sich zu Hause Zeit, um in seinem nach Holz duftenden Wohnzimmer über die Besonderheiten des Baumes zu erzählen. Während die meisten Vereine mit Nachwuchsmangel kämpfen, schaut Kühne beruhigt in die Zukunft: «Bei uns besteht überhaupt kein Mangel an Mitgliedern.» Ob das am Zauber liegt, der einen im Kastanienwald durchströmt und nicht mehr loslässt? Im Verlauf des Tages wird sich zeigen: Zumindest bei Kühne lässt sich diese Frage zweifelsfrei bejahen.
Wunderbaum Kastanie
Er nimmt behutsam eine stachelige, leicht geöffnete Kugel in die Hand, worin sich drei Edelkastanien befinden. Diese Schutzhülle wird liebevoll Fruchtbecher genannt. Er schützt den kostbaren Inhalt, um den sich auch Kühne so sorgt: «Der Kastanienbaum ist ein Tausendsassa. Das Holz ist sehr beständig, Spritzen ist nicht notwendig und aus den Früchten lassen sich wunderbare Gerichte oder gar Schmuck oder Dekoration herstellen.»
Tipp vom Profi: Kastanien sammeln
Weil ihm der Kastanienwald am Herzen liegt, klärt er die Menschen stets darüber auf, wie Edelkastaniensammeln richtig geht. Die Früchte sind nämlich erst reif, wenn sie bereits am Boden liegen. Man sollte sie keinesfalls selbst vom Baum holen – etwa mit Steinen, Stecken oder mithilfe von Klettern. Und zwar nicht nur, weil sie dann noch ungeniessbar sind. Solche Aktionen schaden dem Baum nachhaltig. Der Kastanienwald kann nur in seiner vollen Pracht erhalten werden, wenn die Leute sich an diese Regeln halten. Besonders gut eignen sich laut Kühne Föhn und Regen zum Sammeln: Dadurch fallen die reifen Kastanien besonders schnell auf den Boden.
Die Kastanie im Märchen
Nicht nur Kühne ist dem Charme der Kastanie erlegen. Selbst ein Märchen aus dem Tessin wurde ihr gewidmet. Es handelt vom stacheligen Fruchtbecher, es sei Teufels Werk heisst es. Er habe sich gewünscht, dass sich die Menschen an den Stacheln verletzten und fluchen. Denn deshalb würden sie zu ihm in die Hölle kommen. Gott aber habe den Teufel überlistetet. Dank ihm falle die Schale beim Aufprall auf den Boden auseinander. Von da an habe sich niemand mehr an den Stacheln verletzt, der die süssen Früchte verspeisen wollte.
Ein Baum voller Lebensenergie
Kühne hält einen getrockneten Fruchtbecher in den Händen, als er vom Märchen erzählt. Immer wieder wendet er sie behutsam und mustert sie von allen Seiten. Selbst diese Schale, die eigentliche keine Funktion mehr hat und bei den meisten im Abfall landet, scheint für den Präsidenten des Vereins Pro Kastanie Murg eine Kostbarkeit zu sein. «Der Kastanienbaum bedeutet mir sehr viel», erzählt Kühne. «Dieser Baum ist pure Lebensenergie.»
Ein Weg, unzählige Highlights
Die Wanderung auf dem Kastanienweg führt in den grössten Edelkastanienwald der Schweiz nördlich der Alpen. Unterwegs warten eine Schlucht, ein imposanter Wasserfall und ein Spielplatz. Auf dem Weg lohnt sich ein Abstecher in die wildromantische Murgbachschlucht sowie zum tosenden Wasserfall.